Rückreise nach Europa mit dem Frachtschiff Republica Argentina
15. März 2011 | ||
Rückreise mit der Republica Argentina Unser Frachtschiff segelte unter italienischer Flagge. Die Crew setzte sich aus strahlenden, immer fröhlichen Philippinos und atypischerweise eher verschlossen und zum Teil unfreundlichen Italienern zusammen. Im Gegensatz zu unserer letzten Überfahrt mit dem Schiff unter schwedischer Flagge wurden die Philippiner von den Italienern ausgegrenzt und häufig schlecht behandelt, es wehte ein rauer Wind in dieser Männerwelt. Wahrhaftig kein einfaches Leben: Monate auf dem Meer fern ab von der Familie zu verbringen und zusätzlich unter der mangelnden Sozialkompetenz der Vorgesetzten zu leiden. Wie Perlen an einer Kette glitten die Tage auf dem Schiff gleichförmig durch unsere Hände. Unsere tägliche Routine wurde durch die drei Mahlzeiten strukturiert, die Stunden dazwischen füllten wir mit lesen, Fotobuch erstellen, stricken, Pingpong spielen, joggen auf dem Oberdeck, duschen, Film schauen und schlafen... Auch die Mahlzeiten wiederholten sich: Zum Frühstück erwartete uns das immer gleiche Weissbrot-Brötchen mit Kaffee (ab Brasilien Ovomaltine), bei den Hauptmahlzeiten wurden uns immer Teigwaren, Fisch und Fleisch serviert. Letzteres gegart in Unmengen von Öl und von den beiden Stewards grosszügig in unsere Teller geschöpft. Anschliessend, zur Skorbut Vermeidung und als gleichzeitiger Höhepunkt des „Viergangmenüs", folgte eine Frucht. In diesem Monat assen wir etwa so viel Gemüse wie sonst in einer Woche und konsumierten so viel Öl wie in einem ganzen Jahr, trotz unzähliger, während dem Essen angewandter, Trennungsverfahren. Wenigstens schmeckte das Essen meistens lecker. Nach dem vielen Campieren kam uns die Kabine mit Kajütenbett, Nachttisch, Schreibtisch, zwei Stühlen und eigenem Bad wie ein kleiner Palast vor. Ein grosses Fenster sorgte für viel Licht und den Blick auf die wogende See. Weil wir es so gemütlich fanden, verbrachten wir viel Zeit in unseren vier Wänden. Der Kontakt zu den Mitreisenden war deshalb nicht ganz so intensiv. Unser Touristengrüppchen setzte sich aus drei deutschen Pärchen und vier Franzosen, davon ein Paar und Vater und Sohn, zusammen. Alle waren etwas älter und weiter gereist als wir und erzählten uns blumig von ihren Erlebnissen und Erfahrungen auf den verschiedenen Kontinenten. Die Landgänge boten im gleichförmigen Alltag eine willkommene Abwechslung. Leider kamen wir häufig abends an oder hielten nur für kurze Zeit, so dass wir gar nicht von Bord gehen durften. Den ersten Ausflug machten wir in Santos (Brasilien). Hier reichte die Zeit gerade, uns im Supermarkt mit einem Vorrat an Früchten und Rohkost einzudecken. Das Highlight war, als Nik im Gestell echte Ovomaltine entdeckte! In Rio de Janeiro legten wir einen Tag nach Karnevalende an. Ich ging zusammen mit dem Franzosen Gilbert und seinem kranken Sohn Willy von Bord. Meine Sightseeing-Tour in der Megacity bestand aus dem Besuch eines Kinderspitals und zweier Apotheken, wo ich als Übersetzerin half. Der Kleine hatte vom eintönigen Essen eine schwere Verstopfung mit bakterieller Entzündung eingefangen. Fehlende Aufträge machten eine schnelle Atlantik- Überquerung unnötig. So dümpelten wir mit knapp fünfzehn Knoten ganze neun Tage vor uns hin. Der Kapitän organisierte in dieser Zeit an vier Abenden ein Barbecue. Neben Unmengen saftigen argentinischen Fleisches wurden wir grosszügig mit leckerem Caipirinha und Schnäpschen bedient. Wir assen nicht in der Messe, sondern in der riesigen leeren Halle des achten Decks, was für ein besonderes Garagenparty-Feeling sorgte. In Dakar (Senegal) schlug uns eine aufgeladene Stimmung entgegen. In der Stadt brodelte es aus den gleichen Gründen wie in den nordafrikanischen Ländern. Leute versammelten sich zu Demonstrationen vor dem Regierungsgebäude, das Militär hatte sich aufgebaut. Wir zogen uns schnell wieder in die schützende Hafennähe zurück, um nicht plötzlich zwischen den Fronten zu landen. Trotzdem empfing uns Afrika mit offenen Armen, schnell wurden wir von Leuten in Gespräche verwickelt und mit Geschenken überhäuft. Beschämt und fasziniert stellten wir wieder einmal fest: Wer am wenigsten hat, ist am grosszügigsten! Die herzlichen Begegnungen bestärkten uns im Wunsch, wenn die Zeit reif ist, auf den Schwarzen Kontinent zurückzukehren. Die Sonne strahlte, als wir in Portugal endlich europäischen Boden unter den Füssen spürten. Hier verabschiedeten sich die vier Franzosen von uns. Sie zogen es vor, Portugal zu durchqueren, als weitere vierzehn Tage bis Le Havre auf dem Schiff zu bleiben, da dieser Hafen erst auf dem Rückweg von Hamburg angelaufen worden wäre. Das Hafenstädtchen Setubal verströmte mit seinen engen gepflasterten Gässchen mediterranen Charme. Doch da ich mir einbildete eine Fischgeräte im Hals stecken zu haben, verbrachten wir den Nachmittag nicht beim Sightseeing, sondern auf der Notaufnahme. Die Spitalgänge waren gesäumt von ächzenden Greisen in sterilen Betten. Nicht nur alte, auch für junge Kranke schien es nicht genug freien Platz in Zimmern zu geben. In der Station wimmelte es wie in einem Bienenstock. Von einem zentralen Tisch schwärmte das Ärztepersonal in alle Richtungen aus. Obwohl ich kaum Portugiesisch verstand, merkte ich doch, dass es hier anders zuging, als ich von Spitalbesuchen in Südamerika oder der Schweiz gewohnt war. Besprechungen des Personals und Gespräche mit den Patienten fanden laut, für alle Ohren gut hörbar, statt. - Wenigstens hatte das einen gewissen Unterhaltungswert, - solange es einem nicht wirklich dreckig ging und man nichts lieber gehabt hätte als Ruhe. Die gesamte Überfahrt verlief ansonsten fast ruhig. Einmal wurden wir um 03.30 Uhr vom Feueralarm aus dem Schlaf gerissen und versammelten uns müde und verschüchtert, mit Schwimmwesten und Neoprenanzug ausgerüstet, in der Messe. Erleichterung machte sich breit, als wir erfuhren, dass es nur ein Fehlalarm, ausgelöst durch Schweissarbeiten, gewesen war. Ein andermal neigte sich unser Schiff bei schönstem Wetter unerwartet immer näher der Wasseroberfläche zu. Überall rutschten die Sachen von den Regalen, Geschirr fiel aus den Schränken und Stühle machten sich selbständig. Der Kapitän stürzte schreiend aus seiner Kabine auf die Brücke. Auch wir fragten sofort dort nach, was denn los sei. Offenbar funktionierte der Autopilot nicht richtig und leitete unerklärlicherweise eine unglaublich enge Kurve ein. Da wir gerade mit voller Geschwindigkeit unterwegs waren, legte sich deshalb das Schiff gefährlich weit in die Kurve. Im Ärmelkanal empfing uns der erste Nebelvorhang und ein kalter Wind wehte einen Willkommensgruss Deutschlands entgegen. In Hamburg drückte bereits die Sonne durch die Wolkendecke, als wir von einem freundlichen Zöllner abgefangen wurden. Seinen Drogenhund, ein grosser Schäfer, schnüffelte gemütlich in unserem Auto herum und bestieg ungeniert die Polstersitze. Mit einem grossen Satz sprang er auf den Motor und schnupperte dort auch alles ab. Nachher mussten wir die Dachbox und das Dachzelt öffnen, wo der Zöllner einen Opiatabstrich machte. Etwas mulmig wurde uns, als ein Auto mit weiteren Zollbeamten vorfuhr und eine weitere Hundestaffel zum Einsatz kam. Insgesamt wurde unser Wagen eine Stunde lang überprüft. Glücklicherweise kam nichts zum Vorschein, da man schliesslich nie ganz sicher ist, ob einem nicht irgendwo jemand etwas unters Auto geschmuggelt hat. Die Strecke von Hamburg bis in die Schweiz fuhren wir in zwei Tagen und übernachteten unterwegs bei Doris und Holger, die wir in Argentinien kennengelernt hatten. Die zwei bekochten und verwöhnten uns, sodass wir am nächsten Morgen die letzten dreihundert Kilometer gut ausgeruht in Angriff nehmen konnten. Mit einem Lächeln auf den Lippen überquerten wir bei schönstem Frühlingswetter bei Schaffhausen die Grenze zur Schweiz.
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